Freitag, August 27, 2010

berlinerisches geniessen, erleben, sehen und hören

wo in berlin die ihrer meinung nach beste currywurst serviert wird, erläutern einheimische je nach ihren vorlieben mit missionarischem eifer und nicht selten mit einem leichten hang zum religiösen fanatismus. dem 'ausländer' mit offensichtlich unzureichender befähigung zu diesem philosophischen diskurs bleibt bloss die gewissenhafte beobachtung jener faktoren, die einen unterschied machen könnten: kommt die currymischung direkt auf die - wiederum glaubensfrage: entweder knusprig gebratene oder bloss leicht gebräunte - wurst oder auf jene unmengen an ketchup, die an rote lava gemahnen und die vorgeschnittene wurst unter sich begraben und zu einer hügellandschaft formen? und soll dazu die berliner variante einer semmel oder doch eine portion pommes frites gereicht werden? und vielleicht noch wichtiger: darf die ketchup-lava sich auch über die pommes ergiessen oder bleibt dieser frittierte hort der knusprigkeit unverfälscht erhalten? wie auch immer: meine berliner kontaktleute schwören auf die currywurst bei biers im s-bahnhof an der friedrichstrasse und eines ist sicher: zumindest die lage unter den s-bahn-bögen ist originell und die wurst schmeckt. ganz ohne philosophisches brimborium.

königsberger klopse klingen ebenfalls berlinerisch. mindestens ebenso typisch berlinerisch ist mittlerweile das überdimensionale zelt, in dem dieses gericht in der pause einer schwungvollen inszenierung von "cabaret" serviert wird. die knödel aus kalbsfaschiertem im "tipi am kanzleramt" passen - so durch und durch preussisch - nicht ganz zur opulenten dekadenz und aufgeladenen atmosphäre der 30er-jahre, die vom schauspielerensemble und den musikern recht unmittelbar vermittelt wird.

in die moderne interpretation der späten 50er-jahre reisen

im intercontinental in berlin ergeben die dimensionen und die deckenhöhe der zimmer eine kubatur von wahrlich staatsmännischen ausmassen. 1958, als der riesige kasten ursprünglich in die höhe gezogen wurde, wollte man mit 14 stockwerken und 577 zimmern zweifellos ein beeindruckendes zeichen richtung osten setzen. auch heute, nach der umfassenden renovierung, lassen die zimmer trotz all ihrer modernität noch den zeitgeist der 50er- und 60er-jahre erahnen. im gegensatz zu staatslenkern mit entourage stellt sich beim einfachen individualreisenden, der bloss mit handgepäck schnell einmal nach berlin unterwegs ist, die quälende frage, wie sich die flüssigen aufmerksamkeiten nach hause transportieren lassen.